Die Hainich-Saga - von Matthias Kaiser - Zweites Kapitel

Sauerkraut  Teil  II

Als ich mich nach meiner lehrreichen Begegnung mit Martin Weißenborn, dem Weißkohl-Hüter der Hainich Obst und Gemüse GmbH, auf den Weg nach Erfurt machte, stellte ich kurz hinter dem Bahnübergang Gräfentonna überrascht fest, dass mich seit einiger Zeit ein heimtückischer Ohrwurm in seinen Fängen hält.

Doch anders als bei einem solchen Quälgeist üblich, malträtierte mich keine Melodie in der Dauerschleife, sondern einer jener Reime, mit dem meine Großmutter Nelly, die ich übrigens als Quell meiner Liebe zum Kochen betrachte, nach dem Zubettgehen hoffte, mich so schnell wie möglich in Morpheus Arme zu treiben zu können - Wilhelm Buschs Adaption auf das Sauerkraut:


Eben geht mit einem Teller
Witwe Bolte in den Keller,
Daß sie von dem Sauerkohle
Eine Portion sich hole,
Wofür sie besonders schwärmt,
Wenn er wieder aufgewärmt. 

 

Der Gedanke an Großmutter Nelly und ihr Sauerkraut löste plötzlich eine Nostalgiewelle in meinem Inneren aus. Verantwortlich für dieses kurze Tohuwabohu war die unglaubliche Zahl von 1,8 Millionen. Erinnern Sie sich? Das ist die Anzahl jener Weißkohlköpfe, die der Martin aus der Vogtei mithilfe zahlreicher fleißiger Helfer pflanzen und hegen lässt, um sie anschließend an die Mitarbeiter der Hainich Konserven weiterzuleiten, die sie – knackfrisch geerntet – als Sauerkraut in Gläser pressen. 

Eine Delikatesse, die bei allem Respekt, kaum etwas mit dem wahrscheinlich nur literarisch anspruchsvollen Sauerkohl der Witwe Bolte zu tun hat. In einem feuchten Keller, noch dazu wer weiß wie lange gelagert, könnte ich mir vorstellen, dass das Sauerkraut der Witwe Bolte eine derart strenge Muffigkeit verströmte, dass manchem Nostalgiker bei einer Verkostung sicherlich nicht nur aus Rührung die Tränen in den Augen stehen würde. Wie gesagt, das sind pure Vermutungen meinerseits. 

Keine Vermutung hingegen, sondern Fakt ist, dass es erst in den Dreißigern des 20. Jahrhunderts gelang, Sauerkraut in Konserven oder Gläsern so zu konservieren, das es, ohne weiter zu gären, nicht mehr zu Explosionen führte. Letztlich war es der Firma Hengstenberg vorbehalten, dieses Problem zu lösen. Das 1876 im baden-württembergischen Esslingen gegründete Familienunternehmen brachte im Frühherbst 1932 die erste „unfallfreie“ Sauerkraut-Konserve auf den Markt, was zu einer ständigen Verfügbarkeit führte. Vorbei die Zeit, als es nur in den wenigen Herbst-und Winterwochen möglich war, das Vitamin-C-reiche und kalorienarme (22 Kalorien pro einhundert Gramm) Naturprodukt zu genießen.

Was dem, vorwiegend als Beilage gereichtem, Sauerkraut vor allem im deutschsprachigen Raum zu einer erneuten Blüte verhalf - begann doch der Sauerkraut-Kult in Deutschland schon in der Hochzeit des Mittelalters. Und selbst der gute Wilhelm Busch knüpfte an eine literarische Sauerkraut-Verehrung an, zu der selbst die größten Deutschen Poeten und Schriftsteller so manches mehr oder weniger ernst zu nehmende Mosaiksteinchen hinzufügten. Wobei, um noch einmal zu zitieren, ein gewisser Wernher der Gartenaere  (übersetzt „Werner, der Gärtner“) im 13. Jahrhundert in seiner erzählenden Versdichtung über den Raubritter „Meier Helmbrecht“ aller Wahrscheinlichkeit nach den Grundstein für alle folgenden Sauerkraut-Dichtungen legte.


„…ein krût vil kleine gesniten;
veizt und mager, in bêden siten,
ein guot fleisch lac dâ bî.
 

Ja, das Sauerkraut löste bei uns Deutschen eine derart extensive Begeisterung aus, dass wir in der ganzen Welt ein wenig abfällig als „the krauts“ bezeichnet werden. Eine Bezeichnung, die man in kriegerischen Zeiten als mentale Waffe missbrauchte.  Und die dazu führte, dass man annahm, dass die Wiege des Sauerkrauts in Deutschland stand.

Doch davon, und wie das Sauerkraut die Menschwerdung und auch die Weltpolitik beeinflusste, beim nächsten Mal mehr.

Für Sie, verehrte Hausfrauen – und natürlich auch -männer –  indes der erneute Rat, dass man Sauerkraut nicht nur zur Winterszeit auf den Speisezettel setzen sollte.

Bei einer meiner zahlreichen kulinarischen Exkursionen aß ich zum Beispiel im elsässischen Straßburg bei 32 Grad, im Schatten des Münsters, direkt am „Place de la Cathédrale“, ein derart vorzügliches Sauerkraut mit gedämpftem Lachs, dass es mir eine Freude ist, Ihnen heute dieses Rezept wärmstens zu empfehlen: www.hainichkonserven.de

Eigentlich störte mich nur der Preis…für den hätte man noch vor zwei Jahren ein Reihenhaus in Mecklenburg-Vorpommern kaufen können. Doch auch diese Zeiten sind vorbei. Einzig das Sauerkraut von Hainich-Konserven blieb stabil.

Wobei . . . perfekter wird der Genuss sicherlich dann, wenn Sie dieses elsässische Kultgericht in den Abendstunden genießen.

Und vergessen sie dabei den trockenen Wein nicht!